Ready to Transform?
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In Zeiten, in denen Veränderung der neue Normalzustand zu sein scheint, gibt es eine Konstante: Das menschliche Verhalten. Wenig ist so persistent und stabil wie unsere Gewohnheiten – im Schnitt dauert es ca. 66 Tage, also über zwei Monate, bis eine echte Verhaltensänderung eintritt. Und trotzdem lohnt es sich, sich zu verändern, sich zu hinterfragen, das eigene Handeln immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Transformation fühlt sich oft schwer an – kann aber erfolgreich gelingen und sogar richtig Spaß machen. Wie genau das funktioniert, das können wir uns von erfolgreichen Spitzensportler:innen, Teams und Coaches abgucken. Davon sind wir überzeugt! Und „wir“ sind in diesem Fall Felix Wild, Buchautor (the working game | Erscheinungsdatum: 04. Juni 2024) Unternehmensberater und erfolgreicher Hockey-Spieler, und Lucas Senzel, Director HXM-Transformation sowie Sport-Enthusiast und -Moderator. Der nachfolgende Artikel ist kein Mantra zum Glück, sondern vielmehr ein Denkanstoß in Sachen Transformation, Change und Sportler:innen-Mindset.
Häufig ist mit einer anstehenden Transformation ein gewisser (Leistungs-)Druck verbunden. Glaubenssätze wie „Ich muss unbedingt …“, „Wenn ich das nicht schaffe, dann …“ oder „Es führt kein Weg daran vorbei …“ prägen und hemmen uns. Ja, Veränderungen machen oft Angst. Aber es hilft, sich das eigene Ziel immer wieder vor Augen zu führen, um auch unbekannte Wege einzuschlagen und Herausforderungen anzunehmen. Wie Arnold Schwarzenegger, der schon als Jugendlicher Bilder von nackten, eingeölten Männern über sein Bett hing, weil er selbst irgendwann „Mister Universe“ werden wollte. Seine Eltern hatten wenig Verständnis (sein Vater war der Meinung, wer Muskeln wollte, sollte doch bitte Holz hacken), er verließ seine österreichische Heimat und ging nach Amerika. Große Veränderungen, die ihn seinem Ziel näherbrachten. Aus einem potentiell negativen Glaubenssatz wird eine motivierende Vision: „Ich will das erreichen und ich werde das erreichen, weil ich bereits heute vor Augen haben, wie gut sich der Zielzustand anfühlt!“
Warum eine Change Story wichtig ist
Im klassischen Change Management würden wir hier jetzt den Begriff der Change Story in den Ring werfen mit klarem Zielbild, wichtigen Meilensteinen und einer durchdringenden Motivation. Aber so ein Zielbild allein reicht natürlich nicht aus: Es braucht einen klaren Fahrplan mit der richtigen Priorisierung. „Du brauchst Vitamin N“, sagt Marathon-Olympiasieger Eliud Kipchoge. „Und Vitamin N bedeutet, Nein zu sagen.“ Wir sollten also alle Tätigkeiten, alle Aufgaben, alle Verhaltensweisen immer vor der Frage beleuchten: Bringt mich, bringt uns das unserem gesteckten Ziel näher? Wo kann man Aufgaben delegieren, an welcher Stelle vielleicht sogar komplett streichen? Das gilt sowohl für jeden einzelnen auch für ganze Teams und Organisationen.
Learning by scheitern
Und trotzdem werden wir scheitern. Es wird immer schwierige Phase geben, wir werden mit unseren Ergebnissen nicht zufrieden sein. Aber auch in dieser Hinsicht können wir es sportlich nehmen – und Scheitern als Option zum Lernen verstehen. Niederlagen gehören zum (Berufs-)Leben dazu; wo wäre Serena Williams heute, hätte sie den Tennisschläger nach dem ersten verlorenen Match an den Nagel gehängt? An welchen Basketballstar würden wir uns erinnern, hätte sich Michael Jordan nach einem misslungenen Wurf die Nike-Schuhe von den Füßen gerissen? „Wir gewinnen oder wir lernen dazu“, ist das Mantra vieler Trainer:innen im Spitzensport. Und genau so sollten wir auch unsere Herausforderungen angehen, ob privat oder beruflich. Habe ich alles in meiner Macht Stehende getan, um meine Ziele zu erreichen? Habe ich für mich die richtigen Prioritäten gesetzt? Was würde ich gegebenenfalls in Zukunft anders machen? Feedback is the key! Denn nur, wenn ich mich bzw. wir uns als Team immer wieder aktiv hinterfragen und Rückmeldung zum Status quo einholen, können wir uns weiterentwickeln.
So gelingt der Change
Was dabei helfen kann, sind Mitstreiter:innen, die im besten Fall das gleiche oder ein ähnliches Ziel verfolgen. Dadurch kann man sich gegenseitig pushen und challengen, gemeinsam Erfolge feiern oder negative Erfahrungen aufarbeiten. Und man entwickelt ein verbindendes Verständnis davon, dass der Weg zum Ziel nicht nur steil bergauf geht, sondern auch Talfahrten und viele Kurven inkludiert; die große Herausforderung ist dann, die Motivation trotzdem aufrecht zu erhalten. In einer Zeit, in der viele Arbeitnehmer:innen von mehr Life als Work träumen, sich die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich wünschen und persönliche Erfüllung mehr Wert zu sein scheint als finanzielle Anreize, kommt man leicht zu dem Schluss: Hauptsache, wir haben Spaß. Ja, das wäre schön. Aber nicht nur Ex-Kitesurfer und Blockchain-Unternehmer Dr. Julian Hosp kommt ziemlich nüchtern zu dem Schluss: „Es macht nicht immer alles Spaß. Es gibt Tage, an denen habe ich gar keinen Bock.“ Das geht vielen Sportler:innen so – aber sie wissen, wofür sie die ungeliebte Trainingseinheit im Kraftraum auf sich nehmen: Weil sie ihrem (Leistungs-)Ziel so näher kommen. Weil es eben sein muss. Und weil man als Teil eines Teams (und das hat auch jede:r Einzelsportler:in um sich!) immer auch Verantwortung für das Gesamtergebnis trägt.
Selbstorganisation ist dabei ein weiterer, wichtiger Aspekt: Wenn wir Individuen stärken und ihnen Freiraum zur persönlichen Entfaltung lassen, können wir schneller und flexibler auf Veränderungen reagieren. Mehr noch: Wir können sie positiv vorantreiben! Die deutschen Hockeymänner haben das mit ihrem Sieg bei der WM im Januar 2023 eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Bundestrainer André Henning hat den DHB-Herren viel Freiraum, aber auch viel Verantwortung übertragen – so haben beispielsweise die Spieler wechselweise die Ansprachen im Kreis gehalten, nicht der Trainer. Denn der Coach kann keine Tore schießen. Er kann seine Spieler „nur“ dazu befähigen, eigenverantwortliche (richtige) Entscheidungen zu treffen.
Neue Wege auszuprobieren, sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen, sich immer wieder zu hinterfragen, den Ist-Zustand zu analysieren und fokussiert auf ein gemeinsames, verbindendes Ziel hinzuarbeiten: All das sind Denkanstöße, Verhaltensweisen und Impulse, die wir uns von Sportler:inenn abschauen können. Und sollten! Denn klar ist auch: Wer sich nicht verändert, wer sich dem Change entgegenstellt, der wird nicht verharren – sondern hinten runterfallen. Umgekehrt können wir mit einem nach vorne gewandtem Blick und einer grundlegenden Offenheit gegenüber Neuerungen und Transformationen, sei es auf persönlicher oder organisationaler Ebene, viel erreichen. Vielleicht werden wir eine alles-verändernde-Innovation erschaffen, so wie es Dick Fosbury getan hat, als er bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexico City rückwärts über die Stange sprang – und damit eine völlig neue Technik im Hochsprung etablierte.
Aber wir können mutig sein und als Transformationstreiber:innen vorangehen! Worauf warten wir? Ready to Transform!