Der Mensch als Powerhouse der Innovation
Lesezeit: 4 Min
Dr. Christian Kugelmeier ist Gründer und Co-CEO der VORSPRUNGatwork GmbH in Weinheim. Der 50-Jährige und sein Team begleiten, befähigen und beraten Unternehmen, damit diese im 21. Jahrhundert erfolgreich bestehen und am Markt agieren können. Wir haben uns mit Christian Kugelmeier im Rahmen seines Impulsvortrags „Unternehmertum ist ständiger Grenzübertritt“ über den aus seiner Sicht wichtigsten Erfolgsfaktor bei Firmen unterhalten: dem Menschen.
Die schattenseiten von Remote
Corona hat vieles verändert, auch die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten. Zwar erleichtern Videocalls das Kommunizieren auf Distanz, doch gibt es auch Schattenseiten. Das bestätigt auch eine Microsoft-Studie zum Thema Remote-Arbeit, an der 61 000 Angestellte teilgenommen haben und die zum Ergebnis kommt: Remote Work gefährdet die Zusammenarbeit und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.
Die Verlagerung ins Home-Office selbst schafft kaum Probleme, was die bestehende Arbeit anbelangt. Jedoch knüpfen die Mitarbeitenden im Rahmen der Remote-Arbeit weniger neue Verbindungen innerhalb der Belegschaft und sind deutlich isolierter im Arbeitsalltag.
Christian Kugelmeier warnt vor dieser Dynamik: Die große Herausforderung sei es nun, dass sich die Mitarbeitenden von der Technik nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, denn Innovation und Kreation seien nur durch menschliches Miteinander möglich. „All die Vorgänge, die den Menschen in seiner kreativen Kraft brauchen, sollten physisch stattfinden. Wenn man zusammen in einem Raum sitzt und sich wirklich miteinander beschäftigt, passieren energetisch ganz andere Dinge, die über die Kamera nicht passieren. Der Mensch ist aus unserer Sicht das Powerhouse der Innovation.“
Warum Digitalisierung und menschliche Triebkraft gut vernetzt sein sollten
Die Kunst sei es deshalb, beides – Digitalisierung und menschliche Triebkraft – in eine gute Vernetzung zu bringen. Dies gilt für alle Perspektiven und Ebenen der Unternehmensgestaltung, mit dem Ziel, eine möglichst hohe Übereinstimmung zwischen dem Zweck der Organisation und dem individuellen Sinnverständnis der Mitarbeitenden herbeizuführen.
Die Frage nach dem Warum war es auch, die Christian Kugelmeier selbst dazu brachte, seinen Job als Direktor einer Bank mit überdurchschnittlichem Verdienst an den Nagel zu hängen. „Am Anfang des Überlegungsprozesses war ich natürlich sehr stark bei mir. Ich dachte, bei mir stimmt irgendwas nicht und ich müsste lernen, schneller weiterzukommen.“ Doch durch intensives Reinspüren in sich selbst und das Lesen diverser Bücher habe er schließlich erkannt, dass seine Unzufriedenheit aus dem Unternehmenssystem herrührt. „Diese Erkenntnis hat mich dazu gebracht zu sagen, ich möchte hier nicht mehr arbeiten, es macht mir keine Freude.“
Mit der tiefen Überzeugung, dass er diese Dinge verändern kann, gründete Kugelmeier 2015 mit zwei Bekannten die VORSPRUNGatwork GmbH. „Wir gehen in Unternehmen rein, kreieren Erlebnismomente, aus denen ausgelesen wird, was im System stimmt und was nicht stimmt. Ziel ist es, das Ganze so zu systematisieren, dass sich das Unternehmen mit einer klaren Identität permanent verändern kann.“ Auch wenn Kugelmeier jetzt zwar mit signifikant weniger Geld lebt, sei er deutlich zufriedener. „Für mich ist klar: Menschen koppeln sich nur an Sachen, die sinnhaft sind.“
„Es geht um ein permanentes Ausbalancieren
Dr. Christian Kugelmeier, Gründer von VORSPRUNGatwork GmbH
von Individuum und Organisation.“
Um ein Unternehmen erfolgreich aufzustellen und erfolgreich zu bleiben, sei es unabdingbar, dass der Zweck der Company für die Führung, aber auch für Mitarbeitende klar erkennbar und beständig erlebbar ist. „Es muss deutlich sein, warum es das Unternehmen überhaupt gibt. Gibt es das Unternehmen, um den Chef reich zu machen, oder weil es mit seinem Bestehen einen dezidierten Unterschied in der Welt macht?“ In Zuge dessen könnten Mitarbeiter erfahren, wie wertvoll ihr persönlicher Einsatz und ihre Leistung sind und dass sie Teil eines größeren Ganzen sind. „Wenn ich diese Form von Sinn-und-Zweck-Kopplung in einem Unternehmen herstelle, dann bin ich ein völlig anderes Universum, als wenn die Leute nur zum Geldverdienen kommen.“
Die menschliche Komponente in einem Unternehmen nicht nur willkommen zu heißen, sondern zu fördern, sieht Kugelmeier als unerlässlich. „Es geht um ein permanentes Ausbalancieren von Individuum und Organisation.“
Die Aufgabe, diesen Zweck permanent verfügbar zu halten und das beständige Anpassen an die gegebenen Marktbedingungen, verortet Kugelmeier klar bei der Unternehmensführung. „Es geht also nicht mehr und nicht weniger um den fundamentalen Unternehmensumbau – betrieben aus einem anderen Führungsverständnis, einschließlich dem Ablegen veralteter Führungsinstrumente und entsprechender Glaubenssätze zur Art und Weise, wie Führung in Unternehmen wirkt.“
Das Gegenteil der Komfortzone? Transformation.
Doch solche Transformationsprozesse umzusetzen, dabei tun sich viele Companies schwer. Christian Kugelmeier weiß, warum: „In erster Linie liegt das an einer Blockade, weil man nicht genau weiß, wie man das machen soll und wo genau man damit landet. Zum anderen ist da die berühmte Komfortzone.“ Als Gesellschaft seien wir darauf konditioniert, dass Stabilität etwas Gutes ist. „In Hinblick auf die Unternehmensidentität ist das auch korrekt.“ Problematisch sei diese Einstellung jedoch, wenn es zu Veränderungen in der Umwelt und am Markt kommt. Und die kämen unausweichlich. „Wenn am Markt der Bär steppt, sich alles komplexer und dynamischer verhält und ich als Unternehmen nicht veränderungsfähig bin, wird mich die Evolution immer aussondern. Stabilität bringt mir heute nicht mehr viel. Im Gegenteil: Diese Transformationsunfähigkeit führt dazu, dass Unternehmen im eigenen Saft schmoren.“
Aber wie ist das umsetzbar in einem Land mit Märkten, die von Profit, von Karrieren und von Erfolgen abhängig sind? „Das Erfolgsrezept ist eine starke kollektive Identität. Ein permanentes Auslesen der Kundenschnittstelle. Und dadurch permanentes Rekalibrieren dessen, was man anbietet und auch permanentes Rekalibrieren der eigenen Strategie“, ist Christian Kugelmeier überzeugt. All diese Komponenten müssten im Fluss sein, während die Identität eines Unternehmens als stabiler Kern verankert ist.