Stellenanzeigen Tipps & Tricks

Stellenanzeigen Tipps und Tricks: Madeleine Kern über Dos and Don’ts, Job-Plattformen und die EU-Lohntransparenz-Richtlinie 

05.11.2025
Lesezeit: 6 Min

Einer Studie von Softgarden (2024) zufolge haben 52 % der Befragten schon einmal auf eine Bewerbung verzichtet, weil die Stellenanzeige unattraktiv oder schlecht formuliert war. Zudem gaben 36,3 % an, dass Stellenanzeigen häufig nicht mit der tatsächlichen Arbeitsrealität übereinstimmen. Die Folgen sind vielfältig: unbesetzte Positionen, unpassende Bewerbungen oder frühzeitige Kündigungen.

Doch wie lässt sich das vermeiden? Madeleine Kern, Gründerin von Personalmarketing Kern, JobOptimizer und LinkedIn-Influencerin, spricht im Interview mit unserem Senior Consultant HXM-Transformation, Dennis Lehner, über ihre Tipps und Tricks für Stellenanzeigen. Sie verrät, wie Texte wirklich überzeugen, welche Jobplattformen sich besonders lohnen, nimmt die EU-Lohntransparenz-Richtlinie unter die Lupe und zeigt, welche Rolle KI künftig bei der Erstellung von Stellenanzeigen spielen wird.

Was sind die wichtigsten Dos und Don’ts bei Stellenanzeigen?

Das Wichtigste vorab: Stellenanzeigen sollten immer in Zusammenarbeit entstehen – nicht ausschließlich durch Recruiter:innen, sondern gemeinsam mit dem Fachbereich. Nur so lässt sich sicherstellen, dass alle Anforderungen und Erwartungen klar sind.

Außerdem solltet ihr ausreichend Zeit in die Vorbereitung investieren. Diese Zeit spart ihr später im Auswahlprozess vielfach wieder ein. Die Grundlage dafür bilden eine sorgfältige Arbeits- und Anforderungsanalyse. Diese sollte abgeschlossen sein, bevor ihr mit dem Schreiben beginnt. Beim Verfassen einer Stellenanzeige gilt: So konkret wie möglich werden und ins Detail gehen. Dieses Vorgehen wird als Realistic Job Preview bezeichnet. Eine Studie von Earnest, Allen und Landis zeigt, dass Bewerbende zufriedener sind und länger im Unternehmen bleiben, wenn sie ein realistisches Bild der Tätigkeit erhalten. Dadurch lässt sich Frühfluktuation vermeiden.

„Wenn klar ist, worauf sie sich einlassen, sinkt das Risiko von Enttäuschungen – auch dann, wenn Aufgaben dazu gehören, die weniger attraktiv sind, etwa eine wöchentliche Dokumentenablage.“
Madeleine Kern Gründerin | Personalmarketing Kern & JobOptimizer
Madeleine Kern

Ehrlichkeit ist dabei entscheidend, ebenso wie Einblicke in die Unternehmenskultur: Mit wem arbeite ich zusammen? Wie ist das Team aufgestellt? Diese Aspekte kommen in vielen Anzeigen noch zu kurz.

Ein weiteres Do besteht darin, ein echtes Angebot zu formulieren: Was hat die Bewerber-Seite von einer Mitarbeit? Dazu gehören grundlegende Informationen wie Gehalt, Arbeitszeit, Arbeitsort und Urlaub – die Inhalte, die später auch im Vertrag stehen. Darauf aufbauend sollten zusätzliche Vorteile wie Dienstwagen, betriebliche Altersvorsorge, Kantine oder Kinderbetreuung klar genannt werden. Viele Unternehmen verfügen über attraktive Angebote, erwähnen sie jedoch nicht.

Mein größtes Do lautet: Sich bewusst machen, dass Bewerbende einen Job suchen, der einen großen Teil ihres Lebens ausmacht. Acht Stunden am Tag sind viel. Und auch die Investition des Unternehmens ist nicht zu verachten. So ein Bruttogehalt mehrere Jahre zu zahlen, entspricht einer Millionen-Investition. Dieser Entscheidung sollte man mit entsprechender Sorgfalt begegnen, anstatt alte Anzeigen einfach zu übernehmen.

Das führt uns direkt zum größten Don’t: Keine alten Texte wiederverwenden. Tätigkeiten verändern sich. Das lässt sich kaum vermeiden. Ebenso sollten Unternehmen nicht bei der Konkurrenz abschreiben oder Anzeigen mit überholten Schlagworten füllen. Begriffe wie „durchsetzungsstark“, „kommunikativ“ oder „teamfähig“ sind austauschbar, wenig aussagekräftig und werden meist nicht mehr ernst genommen.

In den letzten Jahren hat sich die Arbeitswelt stark verändert. Wie wirkt sich das auf die Gestaltung von Stellenanzeigen aus?

Ich habe den Eindruck, dass Wertschätzung zunehmend in den Fokus rückt und das in vielerlei Hinsicht. Es geht nicht nur um Benefits, sondern auch um den respektvollen Umgang mit der Zeit der Bewerbenden. Wertschätzung zeigt sich auch in einer klaren und ansprechenden Sprache.

Früher galt die Regel, möglichst kurze Texte mit maximal fünf Stichpunkte pro Abschnitt zu verwenden, da vermeintlich niemand mehr liest. Insbesondere bei erklärungsbedürftigen und anspruchsvollen Jobs sind Transparenz und Authentizität entscheidender, insbesondere Einblicke in das Team und die Zusammenarbeit. Unternehmen, die hier überzeugende Einblicke geben, schaffen Nähe und Vertrauen.

Vor allem jüngere Generationen legen Wert auf Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit. Sie fragen gezielt nach dem „Warum“ ihrer Arbeit. Im Grunde betrifft das jedoch alle Generationen, denn alle möchten wissen, warum ihre Arbeit wichtig ist und dass sie wertgeschätzt wird. Die Jüngeren formulieren diese Ansprüche lediglich direkter, beispielsweise mit Aussagen wie: „Ich arbeite nicht für euch, wenn ihr mir nicht zeigt, dass ihr nachhaltig seid.“

Es gibt die Faustregel, dass in einer Anzeige mehr Aufgaben als Anforderungen genannt werden sollten. Bist du dafür?

Ja, absolut. Und idealerweise enthält eine Anzeige sogar mehr Benefits als Anforderungen. In vielen Fällen ist die Anforderungsliste der längste Abschnitt. Das ist meistens ein Hinweis darauf, dass keine ausreichend inhaltliche Auseinandersetzung stattgefunden oder der Fachbereich zu viel Einfluss genommen hat.

Was war das Mutigste, das du bisher bei einer Stellenanzeige umgesetzt hast?

Ich halte es für wichtiger, dass die Inhalte stimmen, als dass eine Anzeige durch Verrücktheit auffällt. Mut zeigt sich für mich nicht in der Form, sondern in der Ehrlichkeit. Manche Unternehmen nutzen kreative Formate wie Jobcasts oder Video-Stellenanzeigen – das kann funktionieren, ist aber nicht automatisch mutig.

Mut ist relativ. Ein kleines Ingenieurbüro hat mir beispielsweise erzählt, dass der Geschäftsführer im Sommer jeden Freitag mit dem Team grillt. Für sie war es schon mutig, diese Information in die Anzeige aufzunehmen. Ich finde solche authentischen Details sehr wertvoll, weil sie ein realistisches Bild des Arbeitsalltags vermitteln.

Mein Ziel ist nicht, möglichst mutige oder außergewöhnliche Anzeigen zu schreiben, sondern gute. Ich möchte, dass schlecht gemachte Anzeigen verschwinden und Unternehmen sich wirklich Gedanken darüber machen, was sie zu bieten haben. Wenn es zur Unternehmenskultur passt, darf eine Anzeige auch humorvoll sein.

Ein aktuelles Thema ist die Entgelttransparenzrichtlinie der EU. Wie lässt sich das seriös und praktikabel umsetzen?

Der erste Schritt besteht darin, intern Klarheit zu schaffen: Welche Gehaltsstrukturen gibt es, existieren Gehaltsbänder oder Berufskategorien? Gerade im Mittelstand herrscht hier häufig Nachholbedarf. Oft zeigt sich dabei, dass interne Anpassungen notwendig sind.

Darauf aufbauend kann man Gehaltsspannen offen kommunizieren. Extreme Angaben wie „50 bis 100.000 Euro“ sind wenig hilfreich. Ob ein Monats- oder Jahresgehalt angegeben wird, lässt sich individuell klären. Wichtig ist, Orientierung zu bieten.

„Ich erinnere mich an Bewerbungen für eine Assistenz der Geschäftsführung, bei denen die Gehaltsvorstellungen zwischen 30.000 und 130.000 Euro lagen, was ein Zeichen dafür war, dass die Aufgabenbeschreibung unklar war. Eine transparente Spanne hilft, solche Missverständnisse zu vermeiden.“
Madeleine Kern Gründerin | Personalmarketing Kern & JobOptimizer
Madeleine Kern

Welche Kennzahlen helfen dabei, den Erfolg einer Stellenanzeige zu bewerten?

Quantität ist leicht messbar, Qualität schwieriger. Eine gute Basis ist die Conversion-Rate: Wie viele sehen die Anzeige und bewerben sich tatsächlich? Wenn viele klicken, aber sich kaum jemand bewirbt, stimmt die Ansprache nicht. Und wenn 100 Bewerbungen reinkommen, aber nur eine passt, war die Anzeige zu ungenau. Eine gute Anzeige sorgt für Selbstselektion: Wer nicht passt, bewirbt sich gar nicht erst.

Auch technische Basics sind wichtig, wie beispielsweisefunktioniert der Bewerbungsbutton überhaupt? Ich hatte schon Anzeigen ohne Kontaktmöglichkeit.

Langfristig sollte man prüfen: Wie erfolgreich sind die eingestellten Personen? Das ist die Quality of Hire. Diese zeigt sich allerdings erst nach einigen Monaten und ist nur durch einen Austausch zwischen Recruiting und Performance Management möglich, der bislang leider kaum stattfindet.

Welche Kanäle oder Formate eignen sich besonders für die Schaltung von Stellenanzeigen?

Die eigene Karriereseite ist unverzichtbar. Sie verursacht kaum Kosten, ist dauerhaft online und wird von Suchmaschinen wie Google for Jobs oder Indeed erfasst, was  für zusätzliche Reichweite sorgt.

Darüber hinaus sind soziale Netzwerke sinnvoll. Viele Mitarbeitende verfügen über eigene LinkedIn-Profile, über die offene Positionen unkompliziert geteilt werden können.

Zudem empfehle ich den Einsatz von Stellenanzeigen-Agenturen. Sie wissen, auf welchen Plattformen welche Zielgruppen aktiv sind, bieten Paketpreise und übernehmen die technische Abwicklung. Das spart Zeit sowie Budget und führt meiner Erfahrung nach zu besseren Ergebnissen.

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz bei der Erstellung von Stellenanzeigen?

KI kann eine wertvolle Unterstützung sein, vorausgesetzt, man weiß, was man will. Ohne klare Vorgaben generiert sie zwar ansprechende Texte, die jedoch häufig nicht zur Unternehmenskultur passen.

„Ich nutze KI beispielsweise, um Anzeigen aus Sicht der Zielgruppe zu überprüfen: Welche Fragen bleiben offen? Welche Formulierungen wirken unklar? Das ist hilfreich, um die Texte zu optimieren.“
Madeleine Kern

Wer allerdings keine konkreten Informationen liefert, erhält letztlich nur oberflächliche Texte und damit Bewerbungen, die nicht zum Profil passen.

Was ist dein wichtigster Tipp für wirklich gute Stellenanzeigen?

Beschäftigt euch intensiv mit den Positionen, die ihr ausschreibt. Sprecht mit den Menschen, die diese Tätigkeiten tatsächlich ausüben. Fragt: Was macht einen guten Arbeitstag aus? Was läuft an einem schwierigen Tag schief und was hilft, das zu lösen?

Diese Gespräche liefern authentische Einblicke und zeigen, welche Kompetenzen tatsächlich erforderlich sind. Besonders wertvoll ist es, nicht nur Führungskräfte, sondern auch Teammitglieder einzubeziehen. Sie sprechen die Sprache der Zielgruppe und genau das macht eine gute Anzeige aus. Wenn man diesen Schritt ernst nimmt, ist man besser als jede

Der Autor
Senior Consultant HXM-Transformation
Dennis
Lehner
Dennis Lehner verfügt über 15 Jahre Erfahrung in den Bereichen Candidate, Employee und Customer Experience. Mit seinem "People Positive"-Mindset schafft er es dabei, relevante "Moments that Matter" zu identifizieren und durch passgenaue Maßnahmen und Initiativen anzureichern. Dies macht ihn zu einem geschätzten Speaker und Podiumsdiskussions-Teilnehmer, wenn es um Themen wie die gezielte Begleitung von Veränderungsprozessen geht.
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Dennis Lehner