Lean-Prinzipien x Transformation

Wie Lean-Prinzipien die HR-Transformation beeinflussen

23.05.2024
Lesezeit: 5 Min

„Unabhängig davon, wie viele Ressourcen wir in der Personalabteilung einstellen, scheinen wir unsere Arbeitslast nicht bewältigen zu können.“

„Wir haben einfach nicht genug Kapazität, um die Arbeit zu erledigen, werden aber gleichzeitig aufgefordert, die Zahl der Mitarbeiter:innen zu reduzieren.“

„Das Verhältnis unserer Personalabteilung zur Mitarbeiter:innen-Anzahl in unserem Unternehmen steht in keinem angemessenen Verhältnis.“

„Unsere Geschäftsbereiche sagen uns, dass wir als Personalabteilung nicht strategisch genug sind.“

Kommen Ihnen diese Aussagen bekannt vor? Genau vor diesen Herausforderungen stehen viele Unternehmen, die ihre HR-Prozesse im Mitarbeiter:innen-Lebenszyklus zum Großteil noch immer manuell und offline durchführen. Und das, obwohl wir auf der Business-Plattform LinkedIn fast täglich über neue, digitale Trends lesen – von KI über Cloud-Computing bis hin zur Blockchain-Technologie.

Vor welchen spezifischen Herausforderungen stehen HR-Abteilungen?

Vom Recruiting über Onboarding bis hin zu Compensation & Benefits und Offboarding sind Microsoft Excel und OneNote in vielen Unternehmen immer noch ein Standard für die Planung und Durchführung geschäftskritischer HR-Prozesse. Diese Programme führen zu weniger Effizienz und Produktivität der HR-Prozesse. Die Folge? Eine schlechte Mitarbeiter:innen-Erfahrung und ein sinkendes Image der HR-Abteilung.

Zusätzlich ergab eine von „Personio SE“ durchgeführte Studie von 2023, dass fast zwei Drittel (64%) der HR-Manager:innen aufgrund administrativer Aufgaben nicht ausreichend Zeit für strategische HR-Arbeit haben. Und das ist noch nicht alles: Zwei Drittel (63%) der operativ tätigen HR-Profis werden derzeit nicht bei der Durchführung ihrer Prozesse unterstützt. Somit fehlt ihnen auch hier schlichtweg die Kapazität für Optimierungen.

Wie können diese Herausforderungen bewältigt werden?

Derzeit existiert keine Musterlösung, um HR-Prozesse zu digitalisieren und zu optimieren. Es gibt jedoch eine simple Methode, die bei vielen Unternehmen wahre Wunder wirkt: Lean Management.

Was ist Lean Management?

Ursprünglich im Fertigungssektor entwickelt, ist Lean eine Philosophie, die darauf abzielt, Verschwendung zu eliminieren, die Effizienz zu verbessern und den Produktwert für die Kund:innen zu maximieren. In Bezug auf HR-Prozesse bedeutet das, sich auf Aktivitäten zu konzentrieren, die direkt zur Entwicklung, Bindung und zum Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen beitragen. Unnötige Schritte, die keinen Beitrag zu diesen Punkten leisten, werden eliminiert. In den Worten von Henry Ford: „Wenn Sie immer das tun, was Sie bisher getan haben, werden Sie immer das bekommen, was Sie bisher bekommen haben.“ Die Lean-Prinzipien lassen sich in drei grundlegende Phasen unterteilen: Entdecken, Verbessern und Umsetzen.

1. Entdecken (Wertstromanalyse)

Während der Entdeckungsphase sollte die Personalabteilung ihre aktuellen Prozesse analysieren. Um die Prozessarchitektur zu durchdringen, eignen sich Methoden wie Process House. Dabei zerlegen Sie auf strategischer Ebene Ihre Prozesse in logische Prozessgruppen. Diese werden dann wiederum in operative Geschäftsprozesse unter Berücksichtigung von Kosten, Zeit und Ressourcen untergliedert. In der Entdeckungsphase geht es nicht nur darum, die aktuellen Prozesse abzubilden, sondern auch eine Grundlage für die Leistungsmessung zu schaffen. Die Wertstromanalyse (englisch: Value Stream Mapping oder kurz VSM) ist dabei ein grundlegendes Werkzeug. Der HR-Bereich kann VSM einsetzen, um den gesamten HR-Prozess-Lebenszyklus – von Sourcing und Recruiting bis zum Offboarding – zu visualisieren und zu analysieren. Die Identifizierung und Beseitigung von nicht wertschöpfenden Aktivitäten wie redundante Papierarbeit, lange Wartezeiten und der falsche Einsatz von Fachexpert:innen kann die Prozessdurchlaufzeiten erheblich reduzieren und die Gesamteffizienz steigern.

2. Verbessern (Kaizen)

Lean betont eine Kultur kontinuierlicher Verbesserung, auch „Kaizen“ genannt. Hier wird das Team befähigt, Schwachstellen und Optimierungspotenziale zu identifizieren, um das jeweilige HR-Transformationsziel zu erreichen – von der Implementierung eines neuen HR Operating Model bis hin zur Einführung einer neuen Software. Dabei gilt es, das „Warum“ hinter jedem Schritt kritisch zu hinterfragen. Eine zur Identifikation von Verbesserungspotenzialen besonders geeignete Methode ist SIPOC:

Supplier (Lieferant): Identifizieren Sie externe Quellen oder interne Abteilungen, die Inputs für Ihre HR-Prozesse liefern, wie z. B. Personalagenturen, interne Antragsteller oder Abteilungen, die Kandidat:innen-Empfehlungen machen. Überprüfen Sie die Zuverlässigkeit und Qualität dieses Inputs sowie potenzielle Engpässe oder Verzögerungen bei der Lieferung.

Input (Eingabe): Analysieren Sie die Art und Qualität des Inputs und lassen Sie ihn in Ihre HR-Prozesse einfließen, z. B. in Bewerbungsunterlagen, interne Anträge oder Daten aus Leistungsbeurteilungen. Prüfen Sie, ob dieser Input den Anforderungen entspricht und ob es möglich ist, ihn zu optimieren, um die Effizienz und Qualität der HR-Prozesse zu verbessern.

Process (Prozess): Untersuchen Sie den Ablauf Ihrer HR-Prozesse, um Engpässe, Redundanzen oder ineffiziente Schritte zu identifizieren. Analysieren Sie den gesamten Prozess, von der Bewerbungseingabe über die Auswahl bis zur Einstellung. Identifizieren Sie Bereiche, in denen Verbesserungen möglich sind. Zum Beispiel: Wie lassen sich wiederkehrende Aufgaben automatisieren? Wo können Genehmigungsprozesse vereinfacht werden? Gibt es Schulungen für Mitarbeiter:innen?

Output (Ausgabe): Überprüfen Sie die Ergebnisse Ihrer HR-Prozesse, wie z. B. Einstellungen, Schulungen oder Leistungsberichte, um sicherzustellen, dass sie den Erwartungen entsprechen. Analysieren Sie mögliche Qualitätsprobleme oder Diskrepanzen zwischen den erzielten Ergebnissen und den Zielen. Implementieren Sie Verbesserungen, um die Qualität der HR-Ergebnisse zu steigern. Führen Sie z. B. Feedback-Mechanismen ein oder passen Sie Schulungsprogramme an die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen an.

Customer (Kund:in): Identifizieren Sie die internen und externen Kund:innen Ihrer HR-Prozesse wie Bewerber:innen, Mitarbeiter:innen oder Führungskräfte. Analysieren Sie ihre Bedürfnisse, Erwartungen sowie ihr Feedback, um sicherzustellen, dass die HR-Prozesse ihren Anforderungen gerecht werden. Implementieren Sie Verbesserungen, um die Kund:innen-Zufriedenheit zu steigern, wie die Optimierung des Bewerbungsprozesses oder die Einführung von Mitarbeiter:innen-Feedback-Sitzungen.

Fragen Sie sich in diesem Zuge: Warum führen wir diesen Prozess oder Schritt im Prozess durch? Gibt es nicht einen besseren und effizienteren Weg? Welche Gefühle von Frustration empfinde ich oder welche Herausforderungen erlebe ich bei der Durchführung dieser Aufgabe? Was ist die Definition des Erfolgs für diesen Prozess/Schritt und wie wissen wir, dass wir es richtig machen? Auf Basis dessen können Sie Ihre HR-Dienstleistungen besser, schneller und standardisierter gestalten. Dabei ist Standardisierung ein Schlüsselprinzip des Lean Managements. Durch die Entwicklung konsistenter Verfahren für Routineaufgaben können HR-Abteilungen Variabilität, Fehler und Verzögerungen reduzieren. Dies ermöglicht HR-Profis, sich auf strategischere und wertschöpfende Aktivitäten zu konzentrieren. Das trägt letztendlich zu einer verbesserten Effizienz bei. In dieser Phase ist es auch wichtig, die Erfolgskennzahlen des Prozesses zu identifizieren, um die Prozesse kontinuierlich zu optimieren. Hierfür müssen Sie die Abweichungen zwischen den in der Soll-Planung festgelegten KPIs und den Ist-Werten ermitteln.

3. Umsetzen (Aktionsplan):

Nachdem die Optimierungspotenziale identifiziert, priorisiert und als Quick Wins oder mittelfristige Deliverables kategorisiert wurden, erstellen Sie abschließend einen Aktionsplan. Daraus können Änderungen in Bezug auf Personen, Prozesse und Technologien abgeleitet werden. Diese Phase erfordert ein starkes Projektmanagement mit einem pragmatischen Ansatz zur Bewertung von Risiken, Ressourcen, Kosten und Zeit. Für eine schnelle Implementierung kann ein Ansatz wie SCRUM für die Durchführung der Quick Wins sehr effektiv sein. Scrum ist ein agiles Rahmenwerk für das Projektmanagement, das auf kurze Iterationen (Sprints) und enge Teamarbeit setzt, um flexibel und effektiv komplexe Projekte umzusetzen.

Fazit: Lean für mehr Effizienz und Produktivität

Die Implementierung von Lean-Prinzipien im HR-Bereich stellt einen transformativen Ansatz zur Optimierung von Prozessen und Steigerung der Produktivität dar. Indem Sie Workflows optimieren, unnötige Prozesse beseitigen und Mitarbeiter:innen in den Verbesserungsprozess einbinden, können Sie auf die wandelnden Anforderungen Ihrer Organisation reagieren. In einer Zeit, in der Sie als Organisationen die Komplexität des modernen Arbeitsplatzes bewältigen müssen, bietet das Lean Management einen bewährten Weg, um eine effizientere und produktivere HR-Funktion zu schaffen.

Der Autor
Manager HXM-Transformation
Steve
Ely
Als Teil des HXM-Transformation-Teams bringt Steve seine Leidenschaft dafür ein, die Kultur und Bedürfnisse der Menschen in der Organisation zu verstehen und sie für zukunftsorientierte Veränderungen zu gewinnen. Mit über 15 Jahren Erfahrung in verschiedenen globalen HR-Rollen hat Steve tiefgehende Einblicke in den gesamten Employee Lifecycle. Diese Expertise nutzt er, um Kund:innen auf ihrem zukunftsfähigen Weg zu unterstützen.
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Steve Ely